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„Häme und Mitleid sind Geschichte“

Aktualisiert: 11. Sept. 2022

FDP-Vize Kubicki blickt optimistisch auf die Wahlen im kommenden Jahr, warnt aber vor Übermut.

Mit neuem Selbstbewusstsein blickt die FDP auf die drei wichtigen Landtagswahlen im März kommenden Jahres. Über die Stimmung bei den Liberalen und deren Verhältnis zu CDU und SPD sprach unser Redaktionsmitglied Norbert Tiemann mit dem stellvertretenden FDP-Bundesvorsitzenden Wolfgang Kubicki.

Vor zwei Jahren ist die FDP an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert, aus dem Bundestag geflogen. Jetzt sprechen Meinungsforscher schon von einer Renaissance der Partei. Was ist zwischenzeitlich passiert?

Kubicki: Wir haben uns ein Jahr Zeit genommen und uns unserer Grundpositionen versichert. Wir haben uns auf ein Leitbild verständigt, das inzwischen in allen Parteigliederungen unumstritten ist. Darüber hinaus ist es dem Bundesvorstand um Christian Lindner gelungen, der Partei wieder Selbstbewusstsein zu geben. Häme und Mitleid, die uns in fast unerträglichem Ausmaß entgegenschlugen, sind Geschichte, sodass die FDP wieder erhobenen Hauptes durch die Republik geht. Dabei haben die Wahlerfolge in Hamburg und Bremen stark mitgeholfen.

Hand aufs Herz: Ist die Renaissance der FDP nicht auch in Teilen auf den politischen Zerfall der AfD zurückzuführen?

Kubicki: Nein, das ist so nicht zutreffend, schließlich belegen Umfragen im Bund unseren unzweifelhaften Aufwärtstrend. Wir haben in Hamburg schließlich das beste Ergebnis seit 40 Jahren erzielt. Wir werden plötzlich wieder überall mit offenen Armen empfangen und können jetzt eigentlich nur noch an uns selbst scheitern. Deshalb warne ich auch vor Übermut und Gehässigkeit gegenüber anderen.

Aber die FDP hat sich programmatisch doch allenfalls marginal verändert.

Kubicki: Nein, wir haben das sehr genau analysiert: Nur fünf Prozent der AfD-Wähler könnten sich vorstellen, die FDP zu wählen. Das belegen auch die Wahlergebnisse in Hamburg und Bremen, wo die AfD nicht in klassischen bürgerlichen, sondern in Problemstadtvierteln gut abgeschnitten hat. Die FDP hat vielmehr der Union viele Wähler zu verdanken, denn die hat es in der großen Koalition in Berlin zugelassen, wesentliche Kernpunkte ihres Programms zurückzustellen.

Mit Verlaub – Bremen und Hamburg sind Stadtstaaten. Könnte das gute Abschneiden der FDP dort nicht auch als regionales Phänomen eingestuft werden?

Kubicki: Wir rücken das Thema Bildung wieder ins Zentrum unserer Arbeit, weil es hier sowohl um die Persönlichkeitsentwicklung des Einzelnen als auch um die Sicherung der Leistungsfähigkeit unserer Wirtschaft geht. Wir konzentrieren uns weiterhin auf die Bewahrung des Rechtsstaates und die Freiheitsrechte. Wir müssen uns im Übrigen auch nicht neu erfinden, denn wir sind 2013 nicht wegen schlechter Ideen abgestraft worden, sondern weil man uns nicht zugetraut hat, dass wir es mit unseren Positionen ernst meinen und diese auch durchsetzen wollen. Wer sich selbst kleinmacht, der wird auch klein gewählt.

Am 13. März nächsten Jahres finden drei Landtagswahlen statt, in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt. Ist das nicht die eigentliche Nagelprobe für die FDP-Perspektive bei der nächsten Bundestagswahl 2017?

Kubicki: Keine Frage, diese Wahlen sind für uns sehr wichtig. Aber in Sachsen-Anhalt haben wir eine Sondersituation, denn hier gilt es zu dokumentieren, dass wir keine reine West-Partei sind. Ich bin aber zuversichtlich, dass wir auch hier ein sehr gutes Ergebnis einfahren werden.

Welche Zahl soll ich da notieren?

Kubicki: Wir können gerne wetten, dass da eine Acht vor dem Komma steht.

Was hat eigentlich Ihren Landesvater Albig geritten, der SPD mit Blick auf die nächste Bundestagswahl zu raten, ohne Kanzlerkandidaten anzutreten?

Kubicki: Eigentlich kann ich diese Frage nicht beantworten, vermute aber, dass er mal wieder bundespolitisch Schlagzeilen machen wollte, weil er andernfalls in der politischen Bedeutungslosigkeit versinken würde.

Bleiben wir doch bei der SPD: Ist das Wiedererstarken der FDP nicht auch eine Riesen-Chance für Sigmar Gabriel – zumal eine rot-rot-grüne Bündnisoption aktuell immer unwahrscheinlicher wird?

Kubicki: Sigmar Gabriel und die SPD müssen sich Gedanken machen, wohin sie eigentlich wollen. Denn faktisch gibt es in der SPD zwei Parteien. Der eine Flügel, der von Gabriel, Steinbrück und Steinmeier repräsentiert wird, ist der festen Überzeugung, dass die SPD nur nach vorne kommt, wenn sie sich wieder der arbeitenden Bevölkerung zuwendet. Dem stimme ich übrigens auch zu. Die SPD muss die Mitte wieder erobern, indem sie Wirtschafts- und Finanzkompetenz wieder unter Beweis stellt. Der andere Flügel, der nur den Grüßaugust spielt und Geld unter das Volk bringt, losgelöst von der Frage, ob Bedürftigkeit besteht oder nicht, wird die SPD nicht nach vorn bringen.

Und wie hält es nun die FDP mit der SPD?

Kubicki: Die SPD muss, im Übrigen wie die FDP, ein Interesse daran haben, dass es grundsätzlich andere Koalitionsoptionen gibt. Offenkundig kann sich Gabriel der Grünen nicht mehr sicher sein, wenn ich die Spekulationen über Schwarz-Grün richtig deute. Genauso kann sich Angela Merkel der FDP nicht sicher sein.

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